Birkenstock vs. Nachahmer: BGH verneint Urheberrechtsschutz für Kultsandalen
Unsere Rechtsexperten analysieren einen aktuellen und bedeutenden Rechtsstreit um den Urheberrechtsschutz der weltbekannten Birkenstock-Sandalen. Der deutsche Sandalenhersteller Birkenstock hatte mehrere Konkurrenten verklagt, die ähnliche Schuhmodelle vertrieben. Birkenstock argumentierte, dass seine Sandalenmodelle "Arizona" und "Gizeh" urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst seien. Am 20. Februar 2025 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch gegen Birkenstock (Az.: I ZR 16/24 u. a.).

Hintergrund des Rechtsstreits
Birkenstock, gegründet vom heute 88-jährigen Orthopädiemeister Karl Birkenstock, brachte die inzwischen weltbekannten Sandalen 1963 als orthopädische Gesundheitsschuhe auf den Markt. Trotz anfänglicher Kritik entwickelten sich die Sandalen über die Jahre zu einem beliebten Mode-Accessoire, das sogar mit dem Brutalismus-Stil der Architektur verglichen wurde. Birkenstock wollte den Urheberrechtsschutz nutzen, um Nachahmer vom Markt fernzuhalten und seine Investitionen in Markenaufbau und Design zu schützen. Dabei wurde insbesondere auf das ikonische Design verwiesen, das durch breite Riemen und ergonomische Fußbetten charakterisiert ist.
Die rechtliche Ausgangslage
Urheberrechtsschutz für Alltagsgegenstände wie Schuhe ist grundsätzlich möglich, erfordert jedoch, dass diese eine gewisse "Gestaltungshöhe" erreichen. Dies bedeutet, dass das Design nicht nur funktional, sondern auch künstlerisch motiviert sein muss. Bereits in früheren Fällen hatten Gerichte Urheberrechtsschutz etwa für Möbelstücke im Bauhaus-Stil oder Fahrzeuge wie den Porsche 356 zugesprochen. Birkenstock sah in seinen Sandalen eine vergleichbare künstlerische Leistung.
Verlauf des Prozesses
Zunächst entschied das Landgericht Köln zugunsten von Birkenstock, doch das Oberlandesgericht Köln hob diese Entscheidung auf und wies die Klagen ab. Das OLG argumentierte, die Sandalen erfüllten nicht die Voraussetzungen für Werke der angewandten Kunst, da ihnen die erforderliche "Gestaltungshöhe" fehle. Birkenstock legte gegen diese Entscheidung Revision beim BGH ein, mit dem Ziel, den wertvollen Urheberrechtsschutz doch noch zu erlangen.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der BGH bestätigte jedoch die Entscheidung des OLG Köln und erklärte, dass den Birkenstock-Sandalen kein Urheberrechtsschutz zukomme. Die Richterinnen und Richter stellten fest, dass das Design der Sandalen hauptsächlich von funktionalen und technischen Erfordernissen bestimmt sei. Eine ausreichende künstlerische Gestaltungshöhe, die für den Schutz nach dem Urheberrecht erforderlich wäre, sei nicht nachweisbar.
Der BGH betonte, dass Alltagsgegenstände wie Schuhe grundsätzlich urheberrechtlich geschützt sein könnten, dies aber eine nachweisbare künstlerische Idee voraussetze. Ein rein handwerkliches Schaffen, das vor allem auf ergonomische Vorteile abzielt, reiche dafür nicht aus. Birkenstock habe nicht überzeugend dargelegt, dass ihre Designs auf künstlerischen Überlegungen basierten.
Argumentation von Birkenstock
Birkenstocks Anwalt Konstantin Wegner verwies auf den künstlerischen Einfluss des Brutalismus in den Sandalendesigns. Er argumentierte, dass einzelne Elemente, wie die markanten Schnallen und die Anordnung der Riemen, ästhetisch bewusst gestaltet seien. Birkenstock sah sich als Pionier eines minimalistischen und fast skulpturalen Designs, das sich bewusst vom rein funktionalen Schuhdesign abhebe.
Reaktionen und Auswirkungen
Die Entscheidung wurde unterschiedlich aufgenommen. Während Kritiker wie der Jurist Till Doyen befürchten, dass dieses Urteil den Anwendungsbereich von angewandter Kunst zu stark einschränken könnte, begrüßen andere, darunter Journalistin Brigitte Werneburg, das Urteil. Sie argumentiert, dass nun günstigere Alternativen für Verbraucher verfügbar bleiben, die sich das Original nicht leisten könnten.
Birkenstock zeigte sich enttäuscht über das Urteil. Unternehmenssprecher Jochen Gutzy kritisierte, dass Nachahmer ihre Schuhe unter fragwürdigen Bedingungen in Billiglohnländern herstellen und somit "leistungslosen Profit" auf Kosten der Marke erzielen würden. Gutzy kündigte an, dass Birkenstock weiterhin gegen Nachahmer vorgehen werde, auch wenn dies nun nicht mehr über das Urheberrecht möglich sei.
Fazit
Das Urteil des BGH sendet ein deutliches Signal an Unternehmen. Es zeigt, dass Markeninhaber ihre Produktdesigns klar und überzeugend als künstlerisch begründen müssen, wenn sie auf Urheberrechtsschutz hoffen. Gleichzeitig unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit, Marken und Designs rechtzeitig und umfassend durch andere Rechtsinstrumente wie den Designschutz zu sichern. Unternehmen sollten außerdem den Markt kontinuierlich auf mögliche Nachahmer überwachen, um frühzeitig gegen etwaige Verletzungen ihrer Rechte vorgehen zu können.
Die Autorin ist Legal Counsel bei Docue.

Katharina Brendel